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Fraunhofer Geschäftsbereich Adaptronik

Thermostabiler Kugelgewindetrieb mit Formgedächtnislegierungen

Abb. 1: Thermostabile Kugelgewindemutter.
Abb. 2: Lokale Erwärmung der Spindel.
Abb. 3: Aktorgeometrien aus Nickel-Titan.

Die Adaptronik beschäftigt sich mit der Entwicklung funktionsverdichteter Systeme. Die Funktionselemente, wie z. B. Aktoren, werden dabei innerhalb des Kraftflusses angeordnet und übernehmen somit auch tragende Funktionen. Dies bedingt eine strukturkonforme und lastgerechte Integration der jeweiligen Aktorelemente. Durch eine geeignete Integration wird sichergestellt, dass die Aktoren nicht unzulässig belastet werden und dass die Aktorwirkung optimal auf die umgebende Struktur übertragen wird. Thermische Formgedächtnislegierungen (FGL) sind Nickel-Titan-Verbindungen, die auf Temperaturänderungen reagieren. Als metallischer Werkstoff sind sie im Vergleich zu Piezokeramiken deutlich robuster gegenüber Querkräften oder Momenten.

Die Aktorgeometrien sind, mit Rücksicht auf die Fertigungsmöglichkeiten, in weiten Bereichen anpassbar. Typische Aufgabe der Strukturintegration ist hier die Gestaltung des thermischen Übertragungsweges Struktur–Aktor, um zum Beispiel die Prozesswärme gezielt zur Aktivierung zu nutzen.

In technischen Prozessen entsteht oft ungewollt Wärme. Ursache können Reibungseffekte, thermische Verluste in Motoren oder durch Bearbeitungsprozesse entstehende Wärme sein. Insbesondere bei zeitlich oder örtlich inhomogenen Wärmequellen entstehen dadurch veränderliche Prozessbedingungen, welche einen ungünstigen Einfluss auf die Qualität des Prozesses oder auf den Verschleiß beteiligter Komponenten haben.

Thermische Formgedächtnislegierungen durchlaufen bei Temperaturänderung eine reversible Phasenumwandlung, die mit einer Änderung der äußeren Geometrie einhergeht. Sie sind deshalb als thermosensitive Aktorik gut geeignet, um gezielt auf diese thermisch induzierten Prozessvariationen zu reagieren. Damit ist es möglich, z. B. thermische Deformationen zu kompensieren oder Wärmeströme gezielt zu steuern. Als Halbzeuge kommen meist Bleche, Stäbe oder Rohre zum Einsatz, die eine Übertragung der Prozesswärme in den Aktor erlauben. Im Gegensatz zu Stellantrieben mit thermischen FG-Aktoren liegen die Kräfte meist im ein- oder zweistelligen kN-Bereich, die Wege jedoch lediglich bei 1 bis 2 mm.

Der Entwicklungsprozess solcher strukturintegrierter Aktoren geht immer von der Ermittlung stationärer und transienter Temperaturfelder aus. Auf dieser Basis werden eine geeignete Aktorgeometrie und ein Einbauort für den Aktor festgelegt. Im Gegensatz zu konventionellen Aktoren müssen bei der Dimensionierung neben der mechanischen Auslegung die thermodynamischen Eigenschaften der Komponente und des Aktors berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere, wenn ausschließlich die Prozesswärme genutzt werden soll und somit ein völlig autarkes Aktorsystem entsteht.

Beispiel: Kugelgewindetrieb

Im Rahmen des sächsischen Landesexcellenzclusters eniPROD wird derzeit eine adaptive Kugelgewindemutter entwickelt. Solche Kugelgewindemuttern werden in Vorschubachsen von Werkzeugmaschinen eingesetzt. Um eine möglichst spielarme Positionierung zu erreichen, werden die Muttern je nach Einsatzbereich auf einen definierten Kraftwert vorgespannt. Durch die auftretende Reibung kommt es während des Bearbeitungsprozesses zu einer Erwärmung von Spindel und Mutter. Die dadurch entstehende Ausdehnung der Komponenten beeinflusst die Vorspannkraft und damit die Genauigkeit des Bearbeitungsprozesses. Durch integrierte Formgedächtnisaktoren wird diese Ausdehnung kompensiert. Die Vorspannung bleibt konstant beim voreingestellten Wert. Dies mindert den Verschleiß der Vorschubachse, reduziert die Vorschubleistung des Antriebs und erhöht die Stabilität des Prozesses. Da ausschließlich die Prozesswärme zur Aktivierung genutzt wird, ist weder eine aktive Steuerung noch zusätzliche Stellenergie notwendig.

Abb. 4: Gefügeumwandlung schematisch.
Abb. 5: Temperaturabhängiges Spannungs-Dehnungsverhalten.