Crashsicherheit im Millisekundenbereich
Das in Verbindung mit den APROSYS-Projektpartnern erarbeitete Schutzkonzept für Seitenunfälle basiert auf einer gezielten Ableitung der Crashenergie in am Unfallgeschehen unbeteiligte Karosseriebereiche. Erreicht wird diese Ableitung durch aktives Einschalten zusätzlicher Lastpfade kurz vor Eintritt des Aufpralls. Ein reversibler Linearaktor schließt hierbei die Lücke zwischen der Blechstruktur der Fahrzeugtür und dem Gestell der Sitze. Somit besteht eine direkte Verbindung der Türaußenhaut mit dem Fahrzeugunterboden. Erste bereits durchgeführte Vollfahrzeugtests bestätigen die Wirksamkeit des beschriebenen Konzepts. Bei einem nach NCAP-Standard durchgeführten 50 km/h-Seitencrash mit einer verformbaren Barriere konnten die Intrusionen der Fahrzeugseitenstruktur in den Innenraum großflächig um ca. 70 mm reduziert werden. An einzelnen Stellen war die Intrusionsreduktion sogar noch deutlich größer. Diese für den Laien im ersten Moment gering erscheinenden Werte stellen in Bezug auf die Crashsicherheit des untersuchten Fahrzeugs eine erhebliche Verbesserung dar. Da der gesamte Crashvorgang innerhalb weniger Millisekunden abläuft, hat jede Veränderung der Intrusionen einen enormen Einfluss auf den komplexen Ablauf des Unfalls und damit auf die Art und den Zeitpunkt des Aufpralls der Insassen auf die Fahrzeugstruktur. Herkömmliche Rückhaltesysteme können durch den Gewinn an Überlebensraum und Reaktionszeit deutlich konservativer und damit insassenfreundlicher ausgelegt werden.
Im Laufe der letzten vier Jahre entstanden am Fraunhofer LBF mehrere Varianten des zur Realisierung des Schutzsystems notwendigen linearen Crashaktors. In die aktuelle dritte Generation sind alle Erfahrungen und Ergebnisse der vorangegangenen Forschungsarbeiten eingeflossen, so dass nun ein seriennaher Prototyp vorliegt. Abbildung 1 zeigt die wichtigsten Baugruppen dieses Aktors: beweglicher Bolzen (1), Anschlussflansch (2), Gehäuse mit Gleitlagerung (3), Antriebsfeder (4), Elektronik und SMA-Auslöseeinheit (5), Zwischenflansch (6a) und Kunststoffgehäuse (6b). Im Gegensatz zu den vorhergehenden Aktorgenerationen konnte die komplette Elektronik inklusiv der SMA-Auslöseeinheit in das Aktorgehäuse integriert werden. Zur Einbindung des Crashaktors in ein Fahrzeugbordnetz reicht es aus, diesen lediglich über einen kleinen Steckverbinder mit dem fahrzeugeigenen CAN-Bussystem und einer 12-Volt-Versorgungsspannung zu verbinden.