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Fraunhofer Geschäftsbereich Adaptronik

Entwicklungsumgebung für adaptive Strukturen im Automobil ASF

Entwicklungen auf dem Gebiet der adaptiven Fahrwerkskomponenten schaffen den Bedarf nach experimentellen Simulationsumgebungen, die in der Lage sind, Betriebslasten sowie hochdynamische (vibroakustische) Belastungen realitätsnah nachzubilden. Diese Prüfstände sind außer für Untersuchungen zur Beurteilung der Performance und Systemzuverlässigkeit für die Entwicklung und/oder Anpassung von Regelalgorithmen wesentlich, die im Fahrbetrieb nicht sinnvoll und effektiv erfolgen kann.

Abb. 1: ASF Signalverarbeitung.
Abb. 2: Gesamtkonzept.

Vibroakustisches Verhalten simulieren

Mit vorgenannten Zielen wurde am Fraunhofer LBF ein Prüfstandkonzept entwickelt, welches es erlaubt, einem eigenbetriebenen oder extern angetriebenen Versuchsfahrzeug einerseits Fahrmanöver und Betriebslasten und andererseits über hochfrequent wirkende Belastungseinheiten Vibrationen, die durch das Abrollen entstehen, aufzuprägen. Durch die Flexibilität der einkoppelbaren hochdynamischen Signale wird die Möglichkeit geschaffen, beliebige Fahrbahnoberflächen in Interaktion mit beliebigen Reifenprofilen experimentell nachzubilden.

Klassische servohydraulische Prüfstände sind zwar in der Lage, die auf das Fahrzeug einwirkenden und für die klassische Betriebsfestigkeit relevanten Belastungen in allen Freiheitsgraden nachzubilden, sie stoßen jedoch hinsichtlich des realisierbaren Frequenzbereiches bei ca. 50 Hz an ihre Grenzen. Um das vibroakustische Verhalten eines Fahrzeugs experimentell zu simulieren, werden daher Rollenprüfstände eingesetzt, auf denen das Fahrzeug angetrieben oder eigenbetrieben abgerollt wird. Diese Prüfstände ermöglichen lediglich Belastungen in der Fahrzeugvertikalen und sind unflexibel in der Nachbildung von Vibrationen, die durch die Rad-Fahrbahn-Interaktion hervorgerufen werden.

Entwicklungsumgebung ASF

Das LBF-Konzept des neuen Prüfstands für adaptive Strukturen im Automobil (ASF) besteht darin, ein eigenbetriebenes Fahrzeug über unterschiedliche Belastungsaggregate realitätsnah zu beanspruchen. Ein eigenbetriebenes Fahrzeug bietet den Vorteil, dass die aufgrund des Fahrbetriebes innerhalb des Fahrzeuges entstehenden „Geräusche“, z.B. des Antriebsstrangs, nicht durch externe Belastungsaggregate simuliert werden müssen.

Des Weiteren wird das Fahrzeugverhalten über eine aktive Fesselung den entsprechenden Fahrmanövern angepasst. Die Nachbildung der NVH-relevanten Fahrbetriebszustände im Frequenzbereich von 50 - 500 Hz, z. B. über die Rad-Fahrbahn-Interaktion hervorgerufen, wird mittels hochdynamischer Interfaces auf Basis piezokeramischer Aktoren seriell zur Servohydraulik eingeleitet. Die zu simulierenden Fahrbetriebslasten werden zuvor in Fahrversuchen im kompletten Frequenzbereich (DC - 500 Hz) ermittelt. Zur experimentellen Simulation werden diese Zeitdaten in einen hochfrequenten und niederfrequenten Anteil aufgeteilt und als Drive-Signal den unterschiedlichen Belastungsaggregaten zugeführt. Um eine realistische Nachbildung im oder am Fahrzeug zu erreichen, erfolgt über einen Referenzsensor und das Nachbilden der Übertragungsstrecke eine Korrektur der eingekoppelten Zeitdaten, bis die am Referenzsensor anliegenden Signale den in der Messfahrt erfassten Störungen entsprechen.

Das vorgestellte Konzept bedarf einer Vielzahl grundlegender Entwicklungsarbeiten. Die Kenntnisse über den Aufbau und betriebssicheren Einsatz neuer, auf Basis multifunktionaler Werkstoffe aufgebauter, hochdynamischer Interfaces wurde in der Vergangenheit durch eine Vielzahl von Projekten am Fraunhofer LBF gewonnen. Die Komplexität des Gesamtprüfstandes – insbesondere einer übergeordneten Regelung der unterschiedlichen Belastungseinheiten – unter Berücksichtigung ihrer Wechselwirkung und der veränderlichen Übertragungsfunktionen stellt eine große Herausforderung dar. Aus diesem Grund erfolgte der Aufbau des Prüfstandes schrittweise. Nachdem Versuche an einem Federbein mit einem Segment des Federdombereiches durchgeführt wurden, erfolgt der Aufbau des Vollfahrzeugversuchstands für einen Frequenzbereich von DC – 500 Hz zunächst für Belastungen in der Fahrzeugvertikalen. In weiteren Ausbaustufen wurden „fehlende“ Freiheitsgrade ergänzt. Parallel hierzu erfolgt eine schrittweise Simulation des Prüfstands im Computer, um an numerischen Modellen eine Vorentwicklung der benötigten Regler zu betreiben.