Projekte

Fraunhofer Geschäftsbereich Adaptronik

Ganzheitliche Zuverlässigkeitsbewertung eines aktiven Systems

Um aktive Systeme erfolgreich am Markt zu platzieren, müssen sie zuverlässig funktionieren. Dem stehen ein hoher Komplexitätsgrad und ein Zusammenspiel verschiedener Teildisziplinen wie Aktorik, Sensorik und Regelungstechnik entgegen. Neben dem Verständnis der physikalischen Ausfallmechanismen, die insbesondere von der Verwendung neuer Werkstoffe sowie der nicht vollständig verstandenen Wechselwirkung der Komponenten untereinander herrührt, ist auch das Beherrschen der konstruktions- und fertigungstechnischen Aspekte von großer Wichtigkeit.

Abb. 1: Aktives Interface zur Schwingungsreduktion im Automobil.

FMEA und Sensitivitätsanalyse an einem "Aktiven Interface"

Analysiert wurde ein auf Basis piezokeramischer Stapelaktoren arbeitendes "aktives Interface". Dimensioniert wurde es für die Anwendung in einem PKW-Federbein, wo es in den Kraftfluss integriert wird. Zum System gehören zudem die entsprechende Sensorik sowie die Regelung und deren elektrotechnische Umsetzung. Von diesem System wurde eine umfangreiche Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse (FMEA) durchgeführt. Am Fraunhofer LBF sind Experten aller Teildisziplinen zugegen, was die sonst sehr zeit- und kostenintensive FMEA stark vereinfachte. Auch spätere Aktualisierungen, welche ein wesentliches Element einer erfolgreichen FMEA darstellen, waren problemlos möglich. Verteilt auf die verschiedenen Domänen wie Aktorik, Sensorik, Regelung, Elektronik und mechanische Konstruktion wurden insgesamt ca. 150 verschiedene Fehlermöglichkeiten identifiziert und bewertet. Diese reichen von materialbasierten Fehlfunktionen der Piezoaktorik bis hin zu solchen der Elektronikhardware und der Regelungsalgorithmen. Es entstand daraus eine detaillierte Datenbasis, welche auch bei der Bewertung anderer Systemen dieser Art Verwendung finden kann. Problematisch für die Systemzuverlässigkeit bleiben, trotz umfangreicher Bewertung durch die FMEA, nicht verstandene Wechselwirkungen der Komponenten. Diese können Systemzustände bedingen, die trotz einwandfreier Funktion der Komponenten einen Ausfall des Systems zur Folge haben. Bei aktiven Systemen ist insbesondere die Wechselwirkung der Aktorik mit der Sensorik und der Regelung von Interesse. Aus diesem Grunde wurde auf Grundlage der vorhandenen FE- und Mehrkörper-Modelle eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt. Mithilfe dieser Methode konnte gezeigt werden, dass das System im Falle der verwendeten Regelungsalgorithmen durch relativ kleine Veränderung der Systemparameter nicht instabil wird und seine Gesamtperformance beibehält. Der experimentelle Validierungstest ist auch bei aktiven Systemkomponenten für die Freigabe unverzichtbar. Für diese Systeme ist insbesondere der höherfrequente Bereich (>50 Hz) relevant, der jedoch von herkömmlicher Prüftechnik nicht abgedeckt werden kann. Daher wurde am Fraunhofer LBF ein hybrides Prüfstandkonzept entwickelt und realisiert, das den höherfrequenten Anteil des Belastungsspektrums mit einer zur herkömmlichen Servohydraulik in Reihe geschalteten piezokeramischen Aktorik abdeckt. Somit ist es künftig möglich, experimentelle Tests aller Art (Funktionstest, Dauerlauf) von derartigen aktiven Systemen durchzuführen.

 

Kundennutzen

Das vorgestellte Projekt schafft die Grundlage für die Zuverlässigkeitsbewertung aktiver Systeme. Das nun am Fraunhofer LBF vorhandene Know-how zu Ausfallmechanismen auf verschiedenen Funktionsebenen eines solchen Systems (Sensoren, Aktoren, Regelung, Elektronik) sowie deren Wechselwirkung steht für künftige Untersuchungen an aktiven Systemen ebenso zur Verfügung wie die experimentelle Hardware für Funktions- und Zuverlässigkeitstests.