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Fraunhofer Geschäftsbereich Adaptronik

Adaptiver Schwingungstilger für ein Straßenbahnklimagerät

Die Vermeidung von unerwünschten Schwingungen wird auf vielen technischen Gebieten angestrebt. Besonders bei Transportmitteln wie Automobilen, Flugzeugen oder Zügen nimmt die Reduzierung von Vibrationen eine besondere Stellung ein. Hohe Lärmbelastungen im Innenraum können äußerst störend wirken und auch bei entsprechender Dauerbelastung die Gesundheit der Fahrgäste oder des Fahrers beeinträchtigen. Eine Lärmreduzierung ist somit sowohl aus Komfortgründen als auch aus gesundheitlichen Gründen wünschenswert.

Passive und aktive Schwingungstilger stellen vor allem bei tonalen, harmonischen Schwingungen eine effiziente Methode zur Schwingungsreduzierung dar. Tritt während des Betriebs eine Veränderung der Erregungsfrequenz auf, ist eine Adaptierbarkeit des Tilgersystems notwendig. In diesem Zusammenhang ermöglichen intelligente Werkstoffe, sogenannte „smart materials“, den Einsatz von aktiven Maßnahmen zur effektiven Schwingungsminderung.

Abb. 1

Ansatz:

Im Rahmen des EU-Projekts InMAR (Intelligent Materials for Active Noise Reduction) wurde die durch ein auf dem Dach einer Straßenbahn montiertes Klimagerät verursachte Lärmbelastung des Straßenbahnfahrers mittels aktiver Maßnahmen reduziert. In Voruntersuchungen wurde der Kompressor des Klimageräts als Ursache für die hohe Schallemission in den Innenraum identifiziert (Abb. 1). Das durch den Klimakompressor angeregte Beschleunigungsamplitudenspektrum besitzt tonale Erregungsspitzen bei etwa 50 Hz sowie bei höherharmonischen Frequenzen. Ein Schwingungstilger ermöglicht bei entsprechender Auslegung die Tilgung der tonalen Erregung.

Umsetzung und Test:

Der im Projekt entwickelte aktive Schwingungstilger besteht aus einer inertialen Masse, die über eine Biegefeder an das Hauptsystem mechanisch parallel angeschlossen ist. Auf der Biegefeder ist ein laminares Piezomodul aufgeklebt, welches bei einer Spannungsbeaufschlagung mittels des piezoelektrischen 31-Effekts ein Moment in die Biegefeder einleitet. Zur Schwingungsreduktion werden zwei Wirkweisen des aktiven Tilgers ausgenutzt. In seiner mechanischen Eigenfrequenz „absorbiert“ der Tilger die Anregung der Grundstruktur. Dabei tritt durch die gegenphasige Beschleunigung der Tilgermasse eine Reduktion der Schwingung des Hauptsystems ein. Verändert sich die zu tilgende Frequenz während des Betriebs, z.B. durch eine Veränderung der Last des Klimageräts, wird das über eine in Matlab/Simulink implementierte Frequenzerkennung erfasst. Die Anpassung der Eigenfrequenz des Tilgers geschieht über eine Beschleunigungsrückführung der Tilgermasse. Der aktive Tilger wird somit stets in seiner optimalen Tilgungsfrequenz betrieben.

Abb. 2

Oberhalb seiner Eigenfrequenz wird der aktive Tilger als Inertialmassenerreger eingesetzt. Durch die Trägheit der Tilgermasse tritt bei hohen Frequenzen eine starke Reduktion ihrer Beschleunigung auf. Über das durch das Piezomodul eingeleitete Moment wirkt eine Kraft auf die Grundstruktur. Entspricht diese Kraft in ihrer Frequenz der Erregungskraft und schwingt dabei genau in Gegenphase, ist eine gezielte Kompensation der Erregung möglich. Ein in Matlab/Simulink implementiertes Modul passt das Kompensationssignal entsprechend an.

In Finite-Elemente-Berechnungen, Echtzeitsimulationen und letztendlich im messtechnischen Nachweis an einem Prototypen (Abb. 2) wurde das Verhalten des aktiven Tilgers untersucht.

Durch den Einsatz von drei aktiven Tilgern im Straßenbahnklimagerät konnte eine Schwingungsreduktion der Grundstruktur um 15 dB in der Tilgungsfrequenz und um etwa 10 dB in den Kompensationsfrequenzen erzielt werden. Dabei wurden exemplarisch die Amplituden bei 119 Hz und 191 Hz kompensiert. (Abb. 3 und 4)

Abb. 3
Abb. 4

Ausblick:

Der adaptive, piezoelektrische Tilger kann somit als aktive Lösung zur breitbandigen Schwingungsreduktion eingesetzt werden. Zurzeit befinden sich verschiedene Varianten in der Entwicklung. Ein Transfer in weitere Anwendungsbereiche wird durchgeführt.